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Sonntag, 24. April 2016

Betrachtung vor dem Allerheiligsten

Wer es ausprobiert hat, weiß, dass die Betrachtung nirgends fruchtbarer gemacht wird als vor dem Tabernakel. Es ist ja jedem bekannt, dass dieselbe Sache zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Umständen ganz verschieden wirkt. Man hat ein Schriftwort hundertmal gelesen, gehört und gesagt, auch in gewissem Sinn verstanden, aber es ist nicht ins Innere eingedrungen -[...]. Aber plötzlich einmal dringt es durch und wird zum blitzartig aufstrahlenden Licht, das hineinleuchtet in die Geheimnisse des Glaubens und den eigenen dunklen Lebenspfad erhellt. Und das ereignet sich am häufigsten in der Nähe des eucharistischen Heilands.

Wer ihn aufsucht und ihm die Seele öffnet, sie ihm gleichsam als bildsames Material in die Hände legt, dem formt er selbst sie. Er öffnet die Augen des Geistes, so dass sie hellsichtig werden für das, was geschrieben steht, und die Ohren, dass sie es vernehmen, und die Lippen, dass sie es künden können, wann und wo und wie es fruchtbar geschehen kann. Das ist nur eine der Wirkungen, die vom eucharistischen Heiland ausgehen: Er legt die Hand auf uns, wenn wir zu ihm kommen, am stärksten natürlich, wenn wir am Hl. Opfer teilnehmen in der Weise, wie es der Sinn dieses Opfers verlangt, d.h., wenn wir nicht nur beiwohnen und sehen und hören, sondern mitopfern, uns selbst ganz hingeben, um mit umgewandelt und mit dargebracht zu werden: den Menschen, der in dieser Gesinnung zum Altar tritt, kann der Heiland in der eigentlichsten Weise sich einverleiben, zum Glied seines Leibes machen, zum Rebzweig am göttlichen Weinstock. Es bedarf kaum eines Wortes, dass zu solcher Teilnahme am Hl. Messopfer die Hl. Kommunion als Vollzug der Vereinigung mit gehört.

Edith Stein - Hl. Teresa Benedikta vom Kreuz, Karmelitin -
Die Mitwirkung der klösterlichen Anstalten an der religiösen Bildung der Jugend, 1929



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